Legendary Atog #02: Antiquities plus Revised gleich ganz viele Atogs
Geplant zu jedem Anfang des Monats werde ich ein Stückchen Erinnerung herausgreifen und das verbloggen. Dieses wird naturgemäss eine sehr persönliche Geschichte werden, da es meine Erinnerungen sind. Der Inhalt ist nur so gut, wie ich mich noch erinnern kann. Wenn in dieser Erinnerung andere Personen vorkommen, werde ich wie ihr es von mir gewohnt seid, nur die Vornamen aufschreiben. Diese Serie wird sich nicht an einer zeitlichen Reihenfolge orientieren und die Teile werden nicht aufeinander folgen. Die einzelnen Teile werden auch unterschiedlich gross.
In der ersten Ausgabe des Legendary Atogs habe ich festgehalten, wie ich mit Magic angefangen habe und es mit einem Cliffhanger unterbrochen. Sorry, aber damit können wir nicht vier Wochen warten. Also Double-Feature. An dieser Stelle geht es jetzt weiter und in dieer Folge gibt es keinen Cliffhanger.
Es gab kaum Möglichkeiten, das Spiel auszuprobieren, weil es eigentlich nirgendwo verfügbar war. Warum, das habe ich erst viel später verstanden und greife das in dieser Serie auch später auf. Obwohl ich konzeptionell bei „Legendary Atog“ in der Zeit springen darf, fahren wir in diesem (und in den nächsten) Kapitel/n chronologisch fort. Ich habe mir überlegt, dass es zum historischen Verständnis wesentlich einfacher ist, wenn ich zunächst einen zeitlichen Rahmen bilde und thematische Abschnitte später hinzufüge.
Zweitens wird mit Legendary Atog der Entwurf oder das Stöckchen „Was ich von Magic gelernt habe“ gelöst, denn in den Kapiteln werde ich zwangsläufig darauf eingehen, welche Entwicklung das Spiel, mein Umfeld und ich erfahren. Diesen Punkt, den ich neulich bei Entwurf ansprach, hake ich gedanklich ab.
Daher geht es nun weiter im März 1994. Antiquities erscheint, endlich gibt es wieder Magickarten in den Spieleläden.
Antiquities
Antiquities
„Instinktiv richtig“, könnte man dazu sagen, dass ich mich damals in Antiquities quasi reingestürzt habe. Nicht mehr diese beige-braunen alten Unlimited-Booster, sondern die neuen stahlgrauen Booster interessierten mich. Nanu – die Karten haben einen schwarzen Rand, was soll denn das? Sieht aber gut aus, kann man mehr von kaufen. Anfangs stopfte ich die Urza-Länder in mein rot-grünes Deck, um noch grössere Fireballs, Stream of Lifes (und jetzt auch Detonate) spielen zu können. Unglücklicherweise verstanden meine damaligen Gegner (der Daniel), warum Strip Mine in diesem Set war…
Ich betone das gerne mit Stream of Life, denn diese Sorte von Karten hat sich lange in den Casual-Decks (was anderes haben wir ja auch nicht gespielt) gehalten.
Die ersten Spieltaktiken bildeten sich aus, mit so einfachen Gesetzen wie „immer den Tower zerstören“. Mishra’s Factory war schnell im Deck als beliebtestes First-Turn-Play und überhaupt liessen sich viele Antiquities-Karten mühelos in vorhandene Decks integrieren. Stellten Artefakte bisher einen Kartentyp dar, der sich quasi nicht entfernen liess, konnte nun jede Farbe etwas damit anfangen oder dagegen halten.
Zwar haben wir das damals nicht in der Form gewürdigt, aber heute feiere ich, wie hervorragend Antiquities ist. Es hat sein Thema als erstes Artefakt-Set sehr gut transportiert und auch die Hintergrundgeschichte von Urza und Mishra wurde auf den häufigen Karten lebendig erzählt.
Interessant war die Idee, dieselben Karten auf unterschiedlichen Seltenheitsstufen zu produzieren. Ich glaube, dass dies auch das einzige Magic-Set ist, bei dem das gemacht wurde. Es gab Strip Mines die man mit einem Bild häufiger bekam als andere. Ich kannte damals weder den Grund, noch konnte ich aus meiner kleinen Stichprobe eine unterschiedliche Häufigkeit in dieser Weise interpretieren. Ich ging vielmehr davon aus, dass die Karten mit unterschiedlichem Bild gleichverteilt waren.
Dass es Rares, Uncommons und Commons gab, das wussten wir allerdings inzwischen schon. Es war bei neuen Sets aber unbekannt, welche Karten im Set enthalten sind, sowie welche Karten welche Seltenheitsstufen haben.
Revised, oder wie ich mein erstes Dualland bekam
Um die vielen Antiquities-Booster auszugleichen, kamen kurze Zeit später auch Revised-Booster in den Handel. Der Verkäufer im Essener Fantasy-Laden machte mich darauf aufmerksam, dass er das Display neu reinbekommen hat. Ich kaufte ein paar Booster und machte auf dem Weg zum Parkhaus den ersten Booster auf und flickerte durch die Karten. Die waren irgendwie blass gedruckt, und da waren auch noch Karten drin, die ich aus Antiquities kannte: Atog, den hatte ich doch schon vorher so oft. Und dann war da noch eine Karte, die ich noch nicht hatte: eine Taiga war doch wie gemacht für mein rot-grünes Deck.
Aside:
Wer noch keinen Revised-Booster aufgemacht hat – das ist mit den heutigen (Stand 2012) Boostern nicht vergleichbar. Es gab damals keinen eigenen Druckbogen für Basic Lands. Diese befanden sich einfach auf den Bögen für Commons, Uncommons und Rares, sodass man in einem Booster statt dieser Karten einfache Basic Lands bekommen konnte. In Revised gab es zwar das Rare Island nicht mehr. Diesen absoluten Zonk konnte man von den anderen Versionen im Gegensatz zu den unterschiedlich selten gedruckten Ländern in Antiquities jedoch nicht unterscheiden. Dafür hatte Revised auch im Uncommon-Slot noch Basic Lands.Denkt man an die tollen Karten, die es in dieser Edition zu finden gab (äh… Duallands), darf man aber nicht vergessen, dass 90% der Karten, die man in den Revised-Boostern geöffnet hat, ziemlicher Unfug waren. Es gab fünf verschiedene Wards (Blue Ward beispielsweise) und andere Auren mit meist fraglichem Spielwert. Wenn man einmal eine Kreatur fand, war sie nicht nur nach heutigen Maßstäben schwach. Bog Wraith oder Mon’s Goblin Raiders sind weitere Beispiele dafür. Bei den Rares war viel Ausschuss dabei. Magnetic Mountain, Magical Hack, die schon fast spielbaren Personal Incarnation oder Gaea’s Liege, die wenigstens danach schrien, dass man ein Deck um sie baut.
Eine Handvoll starker Kreaturen war dementsprechend beliebt, wozu sogar Mahamoti Djinn und Fire Elemental gehörten.
Da die Taiga sich zwischen anderen Ländern in dem Booster befand, maß ich ihr nicht die Bedeutung zu. Tatsächlich unterschätzte ich sehr lange die nicht-Standardländer, da ich der irrigen Ansicht war, sie könnte ich durch Standardländer ersetzen. Eventuell führte dies dazu, dass ich seit Champions of Kamigawa eher zu viele Sonderländer horte… aber das ist ein anderes Thema. 🙂
Unlimited
Revised
Aufgeräumter waren die Karten.
Mit Revised gab es das erste Tap-Symbol mit dem um 45 Grad gedrehten „T“. Dies vereinfachte es, aktivierte Fähigkeiten zu erkennen, denn vorher hatten die keinen Doppelpunkt. Auch andere zur Aktivierung notwendigen Kosten kamen nun links von diesem Doppelpunkt vor. Dieses Templating, das man als Kleinigkeit abtun könnte, ist aber eins der grossen Erfolgsgeheimnisse von Magic. In diesem Punkt versagen auch jüngere Kartenspiele wie beispielsweise Dominion. Die strikte Trennung von Kosten und Effekt vereinfacht den Zugang zum Spielsystem enorm.
„Bury“ etablierte sich als Kurzform für „destroy but can not be regenerated“ als Zwischenform zwischen „destroy“ und „remove from the game (entirely, never comes back, return to owner’s deck only when game is over)„. Zumindest für die Zeit bis zur fünften Edition, danach flog das Keyword wieder raus. Im Sprachgebrauch hat es überlebt.
Kartentexte in Unlimited und Arabian Nights wollten noch taktische Hinweise oder Regelerklärungen auf den Karten unterbringen. Wie das aussah, habe ich bereits in manche sind einfach zu geil gezeigt. Dieses hat man mit Revised wegrevidiert. Die Zeiten prosaischer Kartentexte sind vorbei.
Auch vorbei sind drei Kartentypen, die man gerade noch bei Antiquities strapaziert hat. Die Artefakte werden aufgeräumt und klären nun endlich auf, was vorher nur erahnt werden konnte. In der Typenzeile versteckte sich der Hinweis, dass eine Nevinyrral’s Disk getappt werden musste, da sie ein „Mono Artefakt“ war.
Auch dieser Punkt ist eine Vereinfachung des Zugangs und war unnötiger Regelbalast. Game Designers, if you design a game, streamline it as much as possible. Check every rule if it is needed and if not, then remove it. Make your game run smooth and easy to learn. Gut, dass wir diese Supertypen („Continuous“, „Mono“, „Poly“) heute nicht mehr haben, das war totaler Unfug.
Revised war auch das erste Regelheft, bei dem ich die Zugfolge einigermassen logisch begreifen konnte. Ich sage hier „einigermassen“ weil sich dies später noch weiter verbessern wird, wenn die Kampfphase nicht als Aktion während der Hauptphase stattfindet, sondern eigenständig wird. Das nur als Vorgriff auf das Kapitel über die Spielregeln, welches noch kommt.
Ãœber den grinsenden Atog war ich in amüsierter Weise sauer. Erst bekomme ich etwa zwanzig davon durch Antiquities, nun war er auch noch in den Revised-Boostern… diese Dreckskarte wollte auch noch niemand haben. Warum sollte man eine mühevoll ausgespielte Karte nur für einen geringen Bonus wegschmeissen, war die Meinung – nein, die Ãœberzeugung der meisten damaligen Spieler.
Hinzu kam, dass Revised überhaupt keine Artefakte im Common-Slot besass und Atos in diesem Set auf die Uncommons (Iron Star, juhu!) oder Rares (z.B. Winter Orb) angewiesen waren.
Deutsch Limited
Erstmals kamen die Karten auch übersetzt raus und diesem Produkt begegneten wir anfangs sehr euphorisch. Die Karten hatten eine sehr kräftige Färbung und sahen sehr viel besser aus als das blasse, fast ausgebleichte, Layout der Revised-Karten. Ausserdem waren die Booster anders eingepackt. Der Kunststoff war dicker und der weisse Rand fehlte.
Inhaltlich war es allerdings Revised. Daher war es auch eigentlich egal, ob man sich nun Revised oder Deutsch limitierte Booster kaufte. Mir gefielen die Karten optisch sehr gut und folglich griff ich lieber zum deutschen Booster als zum englischen. Die Basis-Sets hatten auch so einen Flair von Gewöhnlichkeit, als wenn sie jederzeit verfügbar wären. Sind sie natürlich nicht, aber es kam mir damals so vor. Ausserdem war Revised tatsächlich das am längsten verfügbare Set für diese Zeit.
Ich entschied, mehr dieser Booster haben zu wollen, hatte aber – wie immer – nicht genug Geld. Dafür hatte ich DSA Boxen, die ich vermutlich nie benutzen würde. Ich dachte mir also: weg mit Borbarad und FlimmFlammFunkel, her mit Wolpertinger und Jandors Satteltaschen. Beim nächsten Besuch im Düsseldorfer Laden (wir sollten den langsam mal Fan Pro nennen) brachte ich zwei Arme voll DSA Boxen und fast die Hälfte der damals erhältlichen Abenteuer mit.
Der angebotene Geldbetrag war nicht so attraktiv, also versuchte ich, etwas mehr zu bekommen in dem ich fragte, wie es denn mit zwei deutschen Magic Displays aussehen würde. Und der hat das gemacht. Ihr könnt die Händer runternehmen, das war mit der beste Deal, den ich gemacht habe. Gut, dass deutsche Magic-Karten in Düsseldorf als minderwertig galten (die hatten genügend englische Beta).
Das lag an den sehr schlechten Ãœbersetzungen. Ich riss die Booster auf und lachte mich fast kaputt. Die Karten waren so bescheuert übersetzt, dass konnte man wirklich niemandem anbieten. Am meisten störte mich schliesslich die Beschreibung „bleibende Karte“ und „Ziel deiner Wahl“, was im Vergleich mit dem Templating englischer Karten keine Eleganz beweist. Natürlich gab es damit auch noch mehr Atogs.
Atog killt
Vermutlich beinahe täglich haben DanielK und ich damals Magic gespielt. Meistens wohl bei ihm, er hatte den vernünftigeren Spieltisch und so bin ich ihm bestimmt ordentlich auf den Sack gegangen, weil ich so oft anrief oder vorbei kam. Zu meiner Verteidigung: „Nein“… hat er aber auch nur selten gesagt.
DanielKs Deck hatte zwei Ansätze. Es counterte vieles, vielleicht sogar alles, mit Counterspell, Spell Blast oder seiner Lieblingskarte Power Sink, hatte ein paar Removal (das dürften Terror gewesen sein) und spielte irgendwann mal dicke blaue oder schwarze Flieger, wobei auch der First-Turn-Hippy (Hypnotic Specter mit Dark Ritual) dabei gewesen sein kann.
Mein Deck hatte War Mammoth, Giant Growth, Llanowar Elves, Stream of Life und irgendwelche zufälligen roten Karten, wie gesagt sicherlich Fireball, welchen wir anfangs nie, oder eben „mehrmals“ verstanden haben, und Disintegrate.
Hatte ich schon erwähnt, dass Atog die häufigste Karte war, die ich aufgemacht habe? Ich feierte jeden Booster, in dem kein Atog war (und das war nicht oft). Die Vielzahl an geöffneten Atogs war es nicht alleine, die mich veranlassten, einen Atog in meinem Deck auszuprobieren. Wenn ich aus heutiger Sicht zurückblicke, dann hatte ich damals teilweise sehr seltsame Allüren… ich wollte den Atog spielen, weil es eine Karte war, die so unglaublich schlecht war. Jedenfalls meinte das Daniel.
Das führte dann zu einem Spiel, bei dem wir zuerst wie gewohnt einige Sprüche austauschten, dann waren wir beide im Topdeck-Modus. Ich bekam einen Atog, der mit Iron Star immerhin einen Lebenspunkt machte. In den folgenden Zügen konnte ich Daniel immer wieder mit dem Atog für 1 angreifen, er hatte keine Kreaturen, und auch dieses wiederholte sich über mehrere Züge. Wir zogen beide belanglose Karten nach. Sol Ring und solchen Krempel… wir floodeten beide still vor uns hin. Kennt man ja.
Irgendwann war er aber in Reichweite, sodass ich ihn killen könnte, wenn ich meine ganzen Artefakte, also den Black Lotus, den Sol Ring und den Iron Star in den Atog verfüttern würde. Ich schmiss die Karten also weg und sagte „dann macht der jetzt 7“! Daniel, der sich auch gerne aufregte, nutzte auch diese Gelegenheit. Ausgerechnet von einem Atog gekillt zu werden, das war natürlich Mist.
„Instabile Gruppe“… beginnt!
Im CD-Spieler
Nirvana: Smells like Teen Spirit
Bonfire: Point Blank
Running Wild: Under Jolly Roger
Ich hatte zu dieser Zeit zwei Rollenspielrunden. Eine Gruppe bestand aus DanielK, Peter und Inga. Inga kannte ich aus der neuen Jahrgangsstufe, wo sie neben mir sass, Peter war in einem Parallelkurs und DanielK lernte ich über einen gemeinsamen Freund kennen, er hat damals schon gearbeitet und Geld verdient. Deshalb hat er sich auch die Collector’s Edition geholt. Jede Karte aus der Beta einmal. Zwischendurch blätterte ich durch die Karten, die alle einen eckigen Rand haben. Nicht zum spielen, sondern zum Sammeln, meinte er. Komisch, 200 Mark für etwas auszugeben, was man sich dann nur in den Schrank stellt. Und was nicht mal sonderlich interessant aussieht.
Ich war Spielleiter dieser Gruppe und drängte ihnen natürlich GURPS™ auf, was, wie schon gesagt, das zu systematische Magiesystem hat, was meinem Verständnis von „Magie“ nicht entgegenkommt. Die anfänglichen Versuche, Magic: the Gathering als Magiesystem für Rollenspiele einzusetzen, war jedoch auch nicht erfolgreich. Es endete vielmehr damit, dass wir mehr Magic und weniger Rollenspiele spielten.
Die andere Gruppe, mit der ich auch ins Rollenspiel eingeführt wurde, bestand aus DanielH, meinem Schulfreund seit der 4. Klasse sowie seinem Freund und Nachbarn ThomasG und dessen Arbeitskollegen Nobby. Nobby war Master in dieser Gruppe, was er auch hervorragend konnte. Aus dieser Gruppe gibt es viele Anektoten, die aber in diesem Zusammenhang leider unerwähnt bleiben.
Auch diese Spielgruppe infizierte ich mit Magic. Ich meine mich noch daran zu erinnern, dass ich eine andere Erwartung oder „Hoffnung“ hatte, was die Akzeptanz anging. DanielH, so dachte ich, würde das Spiel umarmen und bei ThomasG war ich mir eher sicher, dass er es nicht spielen würde.
Im Endeffekt war es aber anders.
Während DanielH noch in der Ausbildung war, konnten ThomasG und Nobby aus vollem Gehalt schöpfen. Dies führte dazu, dass beide mehr Karten kauften, als ich dachte. ThomasG mit seiner an Schwaben erinnenden Veranlagung weniger – vergleichbar zu Daniels und meinem Volumen, Nobby kannte da aber kein Maximum. Er hatte nicht nur kein Problem damit, direkt ganze Displays von Karten zu kaufen (ein Konzept, dass damals absolut ungebräuchlich war – man kaufte eher mal drei Booster oder in der Richtung – ein Display war das, was ein Fachgeschäft kaufte), sondern er war auch bereit, den erstgenannten Preis für eine Karte seiner Wahl zu bezahlen. Auch „bezahlen“ war unüblich. Normalerweise ertauschte man Karten.
Damit wurde Nobby der erste Vertreter des Archtyps „Mr.Suitcase“, nur ohne die unangenehmen Seiten. „Mr. Suitcase“ muss man wohl erklären, der Begriff ist aus der Mode gekommen (seit er auf jeden zutrifft…). Halten wir dazu vorgreifend fest, dass es zu dieser Zeit keinen Sekundärmarkt für Magickarten gab. Ausserdem passte das Kartenvolumen der meisten Spieler in eine kleine Box (auch dazu später noch das Kapitel über Aufbewahrung). Das, was zwischenzeitlich üblich geworden ist, einzelne Karten für Geld zu kaufen, gab es damals noch nicht. Karten wurden gegen Karten getauscht und der Wert der Karte variierte stark und hing mehr von der persönlichen Einschätzung als von Turniererfolgen ab. Ach ja: Turniere in der Form wie heute gab es schliesslich auch noch nicht. 🙂
Auslöser für das Tauschen von Karten war für die meisten, dass man sie in dem eigenen Deck spielen wollte. Was auch bedeutet: die meisten hatten ein Deck. Genau eins. Es hiess damals so „ich habe mein Deck umgebaut!“ und nicht „ich habe ein neues Deck“. Das mit dem zweiten Deck konnte schliesslich erst dann funktionieren, wenn man genug Karten hatte, und so wie das heute immer noch bei Anfängern ist, war es damals eben auch. Nur, dass die meisten Anfänger waren…
Der Grund für das verbreitete Tauschen war auch, dass es für beide Seiten einen Grund geben musste, um eine Karte abzugeben. Vermutlich durch die anfangs schwierige Versorgung mit Karten war jede Karte eben irgendwas „wert“, sprich: wenn man sie gegen Geld abgab, war es möglich, dass man sie nicht gegen Geld sondern nur gegen andere Karten hätte eintauschen können. Das wäre eine ökonomische Anomalie, die sich mit dem Verständnis von Zahlungsmitteln nicht deckt. Schliesslich sind Magickarten keine Nahrungsmittel oder Medikamente. Eventuell lag es auch daran, dass die meisten Magic-Spieler aus dem Schüler- und Studentenkreis ohne regelmässiges Einkommen kamen.
Nobby war da anders, denn von Editionen, von denen er keine Booster mehr kaufen konnte, kaufte er die Karten direkt. Die Vorstellung, vierzig Mark für einen Icy Manipulator auszugeben, erschien mir damals mehr als seltsam. Aber das Thema mit Mr.Suitcase, dem Tauschen und Kaufen fortzuführen, bringt uns von der Reihenfolge ab. Nur noch kurz angemerkt, dass Peter, der nie mit uns, aber wohl ausführlich in einer Gruppe in der Bochumer Uni spielte (sehr seltsam), bei mir Revised-Uncommons in grösseren Mengen kaufte, die ich ihm für 15 Pfennig gab – was vermutlich viel zu billig war. Peter war wohl der Archtyp „Trader“.
Zu dieser Zeit war ich so begeistert von der Deckmaster-Serie, dass es für meine Freunde nur zwei Alternativen zu geben schien. Entweder, sie würden Magic spielen, oder aber nicht. Meine Zeit verbrachte ich mehr mit Magic, sodass es (positiv formuliert) zu einer Konsolidierung in meinem Freundeskreis kam. Im Ergebnis hatte ich nur noch Freunde, die Magic spielten.
Eins von vielen
Aber Magic war nicht das Einzige, was uns verbunden hat. Magic war nur eins von mehreren Spielen. Immer noch (aktiv aber nicht mehr lange…) gab es wöchentliche Rollenspielrunden und die Diskussion, ob man sich zweimal in der Woche oder dreimal in der Woche treffen soll. Wenn ich mir das mit meinem aktuellen Terminkalender durchdenke – über was wir uns damals unterhalten haben?! Unfassbar.
Daniel, Inga und ich unterhielten uns ausserdem oft abends an einem Platz in der Nähe des Düsseldorfer Flughafens, der heute abgesperrt ist…
Zusätzlich gab es dann auch noch Computerspiele, wobei die (vor Doom, Starcraft oder Diablo) aber keine nennenswerten Zeitanteile hatten. Nobby, DanielH und ThomasG waren mit dem Amiga sehr aktiv, ich übersprang den Amiga und ging vom 64er direkt auf den PC. In dieser Zeit entwickelte ich eine (unvollendete) Kartenverwaltung für den C64 und hoffe, dass die Disketten noch lauffähig sind und dass ich davon ein Video einstellen kann… da müssten auch noch die alten Decks drin stehen. Wenn das funktioniert – die Geschichte von WUBRG müsste neu geschrieben werden.
Ob es Magic 1995 noch geben wird, war für uns keine Frage, die uns interessierte. Eine gewisse Vorsicht beim Ausgeben von Geld für ein paar Pappkarten basierte aber auch darauf. Magic war eben nur ein Spiel von vielen. Nicht die ganze Freizeitgestaltung richtete sich darauf, auch wenn es zwischenzeitlich diese Ausmaße annahm.
Eisenstrasse oder -golem?
Frühsommer 1994.
ThomasG und DanielH ist es zu langweilig, immer nur gegeneinander zu spielen. Da sie nebeneinander wohnten, haben sie vermutlich das gemacht, was DanielK und ich über eine Entfernung von 15km hinbekommen haben. Was muss ich damals für Sprit bezahlt haben! Achso, der hat ja nix gekostet…
Ich hatte von dem Treffen in Düsseldorf erzählt und an einem Donnerstag (eventuell waren es auch Dienstage) machten wir uns gemeinsam auf den Weg nach Düsseldorf und besuchten die bezeichnete Altentagesstätte auf der Eisenstrasse. Gemeinsam kann uns auch nicht so viel passieren (ja… ich Schisser…)
Also wir in Thomas‘ Auto dahin. Erst mal kamen wir da rein und in dem Raum nur alte Leute beim Kaffeetrinken. Mit an den Tischen angelehnten Gehstöcken. Geil! Mit der Tendenz zu Fail!
Aber irgendwie erkennen sich Magicspieler immer, sei es am Rucksack, eine leuchtende Aura, am Geruch oder an was auch immer (nicht „Geruch“, bitte!… *hoff!* *hoff!*) und ein junger Student fand uns mit den Worten „wollt ihr zum Magicspielen?“. Eigentlich wäre das jetzt, aber der Raum ist noch nicht frei und in ein paar Minuten geht es los. Als die letzten Gehstöcke nach draussen geführt wurden um noch etwas Auslauf zu bekommen, war es auch soweit. Decken und Blumen von den Tischen gestrippt, Stühle zusammengerückt, den Raum quasi auf links gedreht.
„Grand Melee!“
Da waren plötzlich zehn oder zwölf langhaarige Jungs mit Blind Guardian T-Shirts und spielten im Kreis. Immer zwei oder drei gleichzeitig. Neben dem Eingang ein kleiner Tisch mit zwei wortlosen Zockern, die so schnell mir unbekannte Karten auf den Tisch warfen, dass ich sie nicht mal lesen konnte. Mox was? Im von einem Kunststoff-Faltvorhang halb abgetrennten Nebenraum vier zusammengestellte Tische, darauf bestimmt fünf grosse Ordner mit Sports Cards Aufschrift. Dahinter: Markus. Der aus dem Laden. Davor: drei Leute, die ebenfalls Karten in Ordnern dabei hatten. Ganze Ordner voll mit Karten! Unfassbar.
Wir setzten uns in eine Ecke und kurze Zeit später kam jemand vorbei und fragte, ob wir tauschen wollten. Tauschen? Nein, ich wollte doch spielen… er guckte durch meine Starter mit den Tauschkarten, fand aber nichts. „Da ist leider nichts. Zeig mal dein Deck!“. Ich holte meinen ganzen Schatz raus und er begutachtete es. „Nicht schlecht… gibst du das ab?“ – er warf den Lotus auf den Tisch. Als sein Kumpel das sah, war er erstaunt, ein Lotus? Wo gibts die denn noch? Winter Orb, Fireball und Prodigal Sorcerer aus seinem Ordner waren cool. Den Lotus hat sowieso immer nur der Atog gefressen. Das kann er auch mit dem Winter Orb. Rare gegen Rare und noch was dabei… Ich meinte, ich könnte mir in Essen im Laden ja noch neue holen und machte den Tausch. Auch wenn man sich bei vielem, was in der Nähe des Hauptbahnhofs angeboten wird, benutzt vorkommen mag – in diesem Moment fühlte ich dabei nichts. Erst ein paar Monate später sollte ich das verstehen.
So gesehen ist es vergleichsweise gut, wenn man diese Lektionen mit Pappkarten lernen kann.
Der Grund für die Aufregung im Nebenraum: es gab eine neue Magic-Serie. Schon wieder. Wir hatten davon im Laden nichts mitbekommen. Einer meinte sowas wie „Könnt ihr auch nicht, die hat es nicht bis in die Läden geschafft, die ist schon vorher ausverkauft“. Wir kamen mit den Jungs ins Gespräch über…
Legends
Ein Problem waren bisher die schwachen Kreaturen. Legends half da ein ganzes Stück weiter. Carrion Ants, Killer Bees, Craw Giant (viel besser als Craw Wurm durch die superstarke Rampage-Fähigkeit). Dann die Poison-Mechanik um die schon mal ins Endlose gehenden Partien aufzulösen. World Enchantments und Legenden, teilweise mit mehrfarbigen Manakosten und goldenem Rahmen! Master of the Hunt macht unlimitiert viele Token, viel besser als The Hive! Hell’s Caretaker reanimiert alles! Cleanse, wie Wrath of God aber nur für den Gegner! The Abyss – endlich ist schwarz richtig böse. Die Krönung des ganzen aber sind:
E-l-d-e-r D-r-a-g-o-n L-e-g-e-n-d-s!
Man diskutierte darüber, ob Chromium irgendwas kann. Einer fand Nicol Bolas wäre ohne Zweifel die beste Karte, andere konnten sich für den ganzen Zyklus begeistern.
Alles war einmalig – und neu – und war erst mal unglaublich gut.
Das stimmt natürlich nur zeitweise. „Bands with other“ war eben keine so überragende Fähigkeit. Es hilft nichts, eine unverständliche Fähigkeit noch komplizierter zu machen. Aber wir haben die neuen Karten angetauscht und begeistert gespielt. Die abgenutzten Fire Sprites aus der Zeit habe ich auch noch.
Während der kommenden Wochen waren wir häufiger zusammen bei diesem Magic-Treffen in Düsseldorf. Direkt gegenüber gab es eine griechische Pommesbude, in der ich von einem anderen Magicspieler erzählt bekam, er habe zwei Legends-Displays gekauft. Eins hat er aufgemacht, das andere liegt im Schrank. Wenn das mal tausend Mark wert wäre, würde er es verkaufen. Das war dann wohl der Archtyp „Spekulant“, und ob er das selbst glauben würde?
Ãœberraschungen
Auch in der ersten Hälfte des Augusts 1994 trafen sich DanielK und ich zum Magic-Spielen. Inzwischen hatten wir unsere Decks mit etwas aus Legends gepimpt, was wirklich so kurz verfügbar war, dass wir genau einen Kauf hatten. Und diese Fire Sprites stellten sich als unglaublich gut heraus, sorgten sie doch für das Manafixing auf rot, was mein Deck ansonsten nicht hatte. Ich besiegte Daniel oder er mich, und immer wieder wollte er noch ein Spiel.
Dann aber in einem der zahllosen Spiele war Daniel ganz aufgeregt und druckste herum. Zweite Runde… Bog Imp. Bog was?
Die Karte hatte ich noch nicht gesehen. Mit Halbmond drauf? Was ist denn das? Er meinte, er war nach der Arbeit noch im Shop und da gab es wieder neue Booster. The Dark. Er zeigte mir die Booster, die er sich geholt hatte und ich staunte über Ashes to Ashes. Warum hat er mir keine mitgebracht?
Am 13. August 1994 waren DanielK und ich auf dem Nürburgring zu einem Oldtimertreffen. Auf der Rückfahrt kam ich mit dem Cabrio ins Schleudern, dass wir glücklicherweise unverletzt überstanden. Er hat sich danach nie mehr gemeldet. Inzwischen wohnt er mit Inga zusammen.
7. Januar 13 um 4:17
wow bei deinen geschichten kommen wirklich die alten erinnerungen wieder hoch. in der eisenstrasse war ich damals auch ein paar mal. das war doch gleich hinter dem bahnhof oder? ich konnte mich da an einen typen erinnern der immer so einen samsonite koffer dabei hatte mit seinen super karten. als er den koffer mal geöffnet hatte das war damals der wahnsinn.
wir waren damals eine gruppe von circa 8 leuten und haben in kaarst gespielt. immer diese 100 karten decks weil man musste ja jede karte einmal spielen. ich habe mit revised und the dark angefangen und auf der spielmesse in essen noch legends, arabian nights und antiquities gekauft. da durfte man immer nur einmal einkaufen am wizards stand, eine bestimmte anzahl an boostern. wir haben damals wildfremde leute gefragt ob die sich nicht für uns da anstellen können um booster zu kaufen. candelabra of tawnos hat man nicht verstanden und wurde abgegeben gegen nameless race 😉 mein erster tausch damals überhaupt.
schöne serie. bitte weitermachen!
7. Januar 13 um 12:51
Eindeutig: LIKE! 😀
7. Januar 13 um 14:59
Me like either!
Ich warte schon gespannt auf die nächsten Teile. Bei mir wäre das ganze aufgrund weniger guter Erinnerungsfähigkeit gar nicht so spannend, vielleicht hole ich das aber trotzdem nochmal nach.
7. Januar 13 um 15:59
Woah, der Atog veröffentlicht seine Memoiren! Und ich dachte, ich wäre der Ältere!
Nee, schöne Reihe, macht Spaß zu lesen. Das bisher Besprochene liegt noch eine ganze Weile vor meinem Start ins Spiel, ist für mich also quasi die (noch ziemlich unbekannte) Vorgeschichte.
8. Januar 13 um 8:13
@nebu: vielleicht haben wir uns auch in neuss mal getroffen. Weiss nur nicht mehr, ob der Treff in dem Gemeindehaus in Kaarst war. 🙂
Danke für die netten Kommentare.